„Etwa die Hälfte der Ostdeutschen nehmen Muslim:innen als Bedrohung wahr. Das kann man mal sacken lassen, aber nicht hinnehmen.“
Mit diesen Worten leitete Sebastian Vogel, Staatssekretär im Sächsischen Ministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, seine Begrüßungsrede zur Auftaktveranstaltung des Bündnisses gegen antimuslimischen Rassismus in Sachsen ein. Dass dagegen etwas getan werden kann und muss, darüber sind sich alle, die zusammengekommen sind, einig. Denn Hassgefühle zerstören nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie Vogel weiter anmerkt, sie und ihre Auswirkungen in Form von verbaler und/oder körperlicher Gewalt sind auch eine enorme Belastung für die von Hass betroffenen Bürger:innen.
Auch der Impulsvortrag von Anna Sabel und Özcan Karadeniz vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V., eines der Gründungsmitglieder, machte deutlich wie wichtig die Arbeit des Bündnisses ist. Dabei betonte Sabel, dass die Gründung nicht für selbstverständlich gehalten werden solle, auch wenn die Notwendigkeit auf der Hand liege.
Ein Bündnis zu gründen erfordert nicht nur viel Abstimmung mit allen Bündnispartner:innen, sondern auch das Ausgestalten und Festhalten der Ziele und möglicher, gewünschter und notwendiger Formen der Zusammenarbeit. Genau diese Zusammenarbeit von verschiedenen Akteur:innen sei das, was ein Bündnis so wirksam mache, stellte auch Lucia-Sophie Hansel, Projektleiterin im Haus der sozialen Vielfalt e.V. (Gründungsmitglied), in ihrer Rede heraus. Um antimuslimischen Rassismus zu erkennen und zu bekämpfen, brauche es viele Verbündete, damit eine flächendeckende Arbeit möglich sei und das Thema Sichtbarkeit erlange. Dabei solle die Lebensrealität der Betroffenen von antimuslimischem Rassismus stets der Maßstab und Wegweiser für die Bündnisarbeit sein, ergänzte sie.
Ein wesentliches Anliegen des Bündnisses sei es, auch ländliche Regionen zu erreichen. Während in Städten wie Leipzig oder Dresden bereits ein gutes Netzwerk an engagierten Akteur:innen zu finden sei, ist das im ländlichen Raum eher selten der Fall. Hier sind die Herausforderungen durch Abwertung von Muslim:innen gleichzeitig am größten. Dies zeigte Dr. Johannes Kiess mithilfe des Sachsen-Monitors und anhand einzelner Landkreise. Der stellvertretende Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts führte weiterhin in die Leipziger Autoritarismus-Studie ein und benannte den Einflussfaktor „Deprivation“ als essenziell beim Entstehen von Rassismus, auch antimuslimischem Rassismus. Deprivation bezieht sich dabei auf das erlebte Fehlen eigener Handlungsfähigkeit, was zu Frustration führe und sich in einer Abwertung „der Anderen“ entlade. Rassismus basiere dabei nicht auf konkreten (negativen) Erfahrungen, die gemacht wurden, sondern vielmehr auf konstruierten Bildern bestimmter so gedachter homogener Gruppen wie z.B. „die Muslim:innen“, erläuterte er.
Durch das Wiederholen dieser Narrative blieben so rassistische Strukturen und Denkmuster stark, erklärte auch Anna Sabel in ihrem Vortrag. Migration könne nach ihr ein Indikator dafür sein, durch welche Abläufe in unserer Gesellschaft Ausschluss stattfindet. Es sei herausfordernd, aber essenziell, diese gesellschaftlichen Machtverhältnisse und damit einhergehend festgefahrene Strukturen und Ausschlussmechanismen sichtbar zu machen, sie zu reflektieren und an ihnen zu arbeiten. Das sei zwar nicht nur Bündnisarbeit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, erinnerte Sabel, aber das Bündnis und seine Arbeit könne hier eine große Unterstützung für Entscheidungsträger:innen sein und helfen, aufbereitetes Wissen und Informationen in die Breite der Gesellschaft zu tragen, ergänzte Karadeniz.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion kam auch Kassem Taher Saleh, Bundestagsabgeordneter des Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort. Wie Taher Saleh berichtete, wurde er im Irak geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend im Vogtland, studierte Bauingenieurwesen in Dresden und arbeitete anschließend als Bauingenieur. 2021 ging er in die Politik. Er erzählte, wie er das Aufwachsen in der sächsischen Kreisstadt erlebt hatte. Sport habe ihm geholfen, Teilhabe an der Gesellschaft zu erfahren. Dennoch sei „der Hass gegenüber dem Islam immer noch extrem verbreitet“ und es komme immer wieder vor, dass er sich dafür rechtfertigen müsse, seine Religion auszuüben. Ein Anliegen war ihm auch zu betonen, dass die islamische Community in Sachsen sehr heterogen sei.
Bei der Auftaktveranstaltung kamen verschiedene Akteur:innen zu Wort und miteinander in den Austausch. Was die Aufgaben des und Wünsche an die Arbeit des Bündnisses seien, konnten die Teilnehmenden zum Schluss auf einem Zettel notieren und abgeben.
Nicola Eschen, Projektleitung bei der Soziale Dienste und Jugendhilfe gGmbH (Gründungsmitglied), fasste es von Bündnisseite aus am Ende kompakt zusammen:
„Wir brauchen ein breites Bündnis, Arbeitsteilung, zirkulierendes Wissen und Organisationen, mit denen wir an einem Strang ziehen und im Austausch stehen sowie Akteur:innen, die diese Idee weitertragen.“
Text: Johanna Gensch (Soziale Dienste und Jugendhilfe gGmbH)
Foto: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt